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Nargis


                       Einmal, an einem Ort der Gräber
                   wanderte ich, tief in Meditation und fand
                        eine leuchtende Nargis-Pflanze,
           deren Blumen wie Augen aus dem staubigen Boden schauten.

                          Und staunend sagte ich,
               ‹Weshalb blühst du hier, o Blume, so scheu und klar,
              wenn du sogar in Gulistan oder den Hainen von Bostan
                       so selten und unzugänglich bist?›

                       Sie sprach, ‹Ich bin keine Blume;
                     sieh mich an, traurig und untröstlich.
                       Ich bin das Auge eines Liebenden,
                 das wacht und sein bitteres Schicksal beweint.


                       In närrischem Glauben hielt ich
                 das Versprechen meines Herzensliebsten für wahr,
                   und nun warte ich, jenseits der Hoffnung,
               sogar jenseits des Todes, in Liebe, die neu entspringt.


                      Mein Herz wurde zur Harfe, auf der
                  die Finger der Erinnerung ihre Akkorde spielen.
                        Mein Kismet ist es zu warten
                 all die langen Jahrhunderte bis zum Jüngsten Tag.


                         Und nun weiss mein Geist,
                     Liebe ist unsterblich, und sie hat mir,
                         wie allen wahren Liebenden,
                einen Teil ihrer eigenen Unsterblichkeit geschenkt.›



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