Page 7 - Ebook-TragendeGrund
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Nachtzug aus amsterdam
Der Zug fuhr in Altstetten ein, nicht wie ich dachte im Hauptbahnhof,
morgens gegen sechs. Ich war zurück, nach einer Woche bei Freunden;
wir hatten zusammen das Jahresende gefeiert, und ich war das erste Mal
durch Amsterdam gebummelt, mit den Grachten, den Brücken, den
‘fietsen‘, die meersalzige Luft gerochen, wunderbar.
Es war keine Reise, um die ‘Freiheiten Hollands‘ auszukosten, wie
dies zu jener Zeit Tausende von Jugendlichen jeweils taten, ich suchte
einen ‘Faden‘; unser Freund in Amsterdam hiess Potter, er war wirklich
ein Töpfer. Er hatte den Beruf erst später in seinem Leben gelernt und
machte wunderbare Gefässe, die er am Markt auf dem Singel verkaufte.
Vor meiner Rückreise hatte er mir ein Buch in die Hand gegeben und
gesagt: <Vielleicht ist dies der Faden…>.
Die halbe Nacht hatte ich darin geschmökert, und ich erinnere mich
nur noch, dass ich an einer Geschichte darin hängen geblieben war, ‘Die
Geschichte vom Alif‘ - sie hatte mich mit dem regelmässigen Singsang
der Räder meines Schlafwagens in den Traum begleitet.
Und nun war ich in Altstetten angekommen, wollte nach Hause in
Thalwil, wo ich damals wohnte, und hatte keine direkte Verbindung, zu-
erst müsste ich den Bus nehmen, dann wieder in den Zug… Etwas irri-
tiert - ich hatte mich so daran gewöhnt, dass alle Dinge in einem einzigen
Fluss ihren Lauf nahmen - erwachte ich bei einem Kaffee vollends und
kaufte den Stellenanzeiger; seit einem halben Jahr war mir klar, - dank
Carlo, einem kleinen Jungen, dem ich Gitarrenunterricht gegeben hatte
- dass ich eine neue Arbeit wollte und brauchte.
Es hatte sich herauskristallisiert, was mich in meiner Arbeit als Gitar-
renlehrer immer wieder irritiert hatte: <Du stehst den Schülern im Weg
in der Weise, wie du Unterricht gibst>, dies wurde deutlich - doch war-
um? ‘Lebenserfahrung‘, dies war es, was fehlte… so empfand ich.
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