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So erklärte ich ihr den Zusammenhang. Sie sagte dann: <Schade, dass
        Sie aufhören, Carlo kam wirklich gern zu Ihnen in den Unterricht. Nun
        müssen wir entscheiden, ob er aufhören soll oder zu einem anderen
        Lehrer gehen>.

           <Lassen Sie ihn selber entscheiden, er wird das Richtige tun!> <Er ist
        doch noch ein Kind, wie soll er dies können?> Und so begann ich, ihr
        unsere gemeinsame Zeit zu beschreiben, und wie mich Carlos Fähigkeit
        beeindruckte, sich selber sachlich und realistisch einzuschätzen. Und da
        sie wirklich weiter da sass und auf etwas zu warten schien, sagte ich ihr
        schliesslich, was ich zum Thema Berufswahl dachte: <Lassen Sie ihn Me-
        chaniker werden, er wird gut sein darin, und wenn er sieht, dass er noch
        mehr lernen möchte —  oder muss - dann wird er im richtigen Zeitpunkt
        die Weiterbildungen wählen, die dann nötig sein werden. Vertrauen Sie
        Ihrem Sohn, er ist grossartig!>.


           Was kam darauf? Ein Schwall Tränen von Seiten der Mutter. <Verste-
        hen Sie nicht? Wir waren im schönsten Jugendalter, mein Mann und ich,
        voller Freude und Hoffnung, das Leben gemeinsam zu gestalten für uns,
        für unseren lieben Jungen. Wir mussten auswandern, wir hatten nichts
        zum Leben in Italien, so kamen wir hierher. Und wer sind wir hier? Egal
        wie gut wir arbeiten, was immer wir tun, wir gehören nur zur zweiten Ka-
        tegorie, putzen, Lastwagenfahren, anderen gehorchen, unsere Träume
        vergessen, alt werden, bevor wir gelebt haben. Mindestens unser Sohn
        sollte es doch anders haben, verstehen Sie nicht?>

           Welche Wärme, welche Liebe! Die Wellen legten sich langsam wie-
        der, und schliesslich konnte ich ihr sagen: <Carlo wird ja all dies sicher
        nicht erleben, er ist hier aufgewachsen, und wenn er festen Boden unter
        seinen Füssen haben kann, so wird er seinen Weg machen und eine neue
        Familie gründen können, die nicht mit den gleichen Voraussetzungen
        starten wird. Dies haben Sie ihm ja mit Ihrer Liebe und Ihrem Opfer be-
        reits geschaffen, vergessen Sie‘s nicht! Gefahr? Sie liegt vielleicht eher in
        vielen Jahren des Gymis und Studiums in Gesellschaft , die es nicht kennt,
        sich den Boden unter den Füssen selber zu erarbeiten.>


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