Page 133 - Ebook-TragendeGrund
P. 133
te, Oswald zu erreichen, auch keine Antwort. Und so machte ich mich
auf, an die Greifenseestrasse, läutete; niemand öffnete. Ich hatte keinen
Schlüssel und versuchte wieder, Oswald zu erreichen, der ihren Haus-
schlüssel hatte, nichts.
Dann kam die Hausbesitzerin vorbei, die oben wohnte; ich bat sie,
die Wohnungstüre zu Annys Wohnung zu öffnen. Wir kannten uns gut,
und sie sagte: <Ich glaube, sie ist nicht da, gestern Abend kam ein Sani-
tätswagen.> Das war eine Erleichterung. Und wirklich, als ich in der Woh-
nung war und mich umschaute, war da keine Unordnung oder Spuren
von Not oder Unrast.
Ich versuchte wieder, Oswald zu erreichen, er antwortete, hatte je-
doch von allem nichts mitbekommen. Er war gestern Mittag bei ihr, hatte
ihr noch Esswaren gebracht, alles normal.
So konnte ich nichts anderes tun als abwarten. Ich schloss die Woh-
nung ab, gab den Schlüssel zurück und fuhr zu mir nach Hause. Da war
ein Friede, eine Ruhe, die mich davon abhielt, alle Spitäler und Notfallsta-
tionen abzuklappern, Anny war in Sicherheit, das fühlte ich deutlich. Und
so versuchte ich, im Innern ihren Pfaden nachzuspüren. Bald darauf kam
ein Anruf, es war eine Krankenschwester aus dem Waidspital.
Sie schien verwirrt, eine ganze Welle der Bewegung kam mir durch
den Hörer entgegen. <Sind Sie Hannes Füchslin? Wir haben Ihre Adresse
in der Handtasche von Frau Burger gefunden.> Ich freute mich, das war
Anny! Als die Krankenschwester meine frohe Stimme hörte, setzte sie
an, wie sie es am besten wusste: <Wir müssen Ihnen leider eine trauri-
ge Mitteilung machen…> Ich unterbrach sie nicht, wollte ihrem Gefühl
nachspüren. Als sie still war, fragte ich: <Das ist gar nicht so traurig, wie ist
sie gestorben?>
Wieder kam eine ganze Welle von Gefühlen. <Ich finde keine richti-
gen Worte, entschuldigen Sie, es war so anders als wir es sonst erleben.
Frau Burger kam gestern Abend zu uns, sie hatte unseren Notfalldienst
133