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So  oft  schien  es  während  dieses  halben  Jahres  hoffnungslos,  die
         Wende danach kam, überraschend schnell und immer anders, als wir sie
         uns gedacht hatten!

            Die  kritische  Zeit  war  keineswegs  ausgestanden  deswegen,  Anny
         wurde mit jedem Tag bewusster, dass sie seit ihrer Herzoperation ein
         neu geschenktes Leben erhalten hatte, und all diese Jahre waren mit der
         Dachmansarde im Seefeld verbunden. Die Atmosphäre im Raum sprach
         mit ihr, erinnerte sie daran, wie viel Segen dieses Leben ihr gegeben hat-
         te. Und auch dies würde nur noch Erinnerung sein, in ein paar wenigen
         Monaten!

            Gut,  dass  sie  bereits  eine  neue  Wohnung  gefunden  hatte!  Doch
         Anny fühlte sich ausserstande, an diesem neuen Ort wieder eine Atmo-
         sphäre schaffen zu können, so kurz nach dem ersten tiefen Einschnitt
         des  Abgetrenntseins  von  ihrem  Lebensinhalt.  Vielleicht  war  es  nicht
         so zerstörerisch, wie es am Anfang aussah; doch Anny hatte genug! Es
         war einfach Krisenzeit, wir hatten keine Wahl; sie musste sich irgendwie
         durchkämpfen, das war ihr klar. Mäni und Ruth unterstützten sie, so gut
         sie konnten, und ich war mit dieser Arbeit beschäftigt! Wir blieben ein-
         fach innerlich verbunden und telefonierten oft. So war ich zumindest
         nahe bei den Entwicklungen.
            Der Tag des Umzuges kam; ich konnte nicht dabei sein, doch hörte
         ich danach den Bericht ihrer beiden Bekannten. Eine unfreiwillige Komik
         begleitete diesen Tag; zuerst kam der Wagen mit den Männern viel zu
         spät, dann fanden sie viele Dinge nicht mehr.

            Als dann der Abend anbrach und niemand auch nur daran denken
         konnte, ein Nachtessen zuzubereiten, brach Anny wirklich zusammen
         und sagte: <Ich kann nicht mehr, lasst mich in Ruhe, ich will hier gar nicht
         mehr  neu  anfangen!>  Mäni  stand  auf  der  Leiter,  in  der  Rechten  den
         Schraubenzieher, in der Linken die Lampe, die er gerade montieren woll-
         te.




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