Page 108 - Ebook-TragendeGrund
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So oft schien es während dieses halben Jahres hoffnungslos, die
Wende danach kam, überraschend schnell und immer anders, als wir sie
uns gedacht hatten!
Die kritische Zeit war keineswegs ausgestanden deswegen, Anny
wurde mit jedem Tag bewusster, dass sie seit ihrer Herzoperation ein
neu geschenktes Leben erhalten hatte, und all diese Jahre waren mit der
Dachmansarde im Seefeld verbunden. Die Atmosphäre im Raum sprach
mit ihr, erinnerte sie daran, wie viel Segen dieses Leben ihr gegeben hat-
te. Und auch dies würde nur noch Erinnerung sein, in ein paar wenigen
Monaten!
Gut, dass sie bereits eine neue Wohnung gefunden hatte! Doch
Anny fühlte sich ausserstande, an diesem neuen Ort wieder eine Atmo-
sphäre schaffen zu können, so kurz nach dem ersten tiefen Einschnitt
des Abgetrenntseins von ihrem Lebensinhalt. Vielleicht war es nicht
so zerstörerisch, wie es am Anfang aussah; doch Anny hatte genug! Es
war einfach Krisenzeit, wir hatten keine Wahl; sie musste sich irgendwie
durchkämpfen, das war ihr klar. Mäni und Ruth unterstützten sie, so gut
sie konnten, und ich war mit dieser Arbeit beschäftigt! Wir blieben ein-
fach innerlich verbunden und telefonierten oft. So war ich zumindest
nahe bei den Entwicklungen.
Der Tag des Umzuges kam; ich konnte nicht dabei sein, doch hörte
ich danach den Bericht ihrer beiden Bekannten. Eine unfreiwillige Komik
begleitete diesen Tag; zuerst kam der Wagen mit den Männern viel zu
spät, dann fanden sie viele Dinge nicht mehr.
Als dann der Abend anbrach und niemand auch nur daran denken
konnte, ein Nachtessen zuzubereiten, brach Anny wirklich zusammen
und sagte: <Ich kann nicht mehr, lasst mich in Ruhe, ich will hier gar nicht
mehr neu anfangen!> Mäni stand auf der Leiter, in der Rechten den
Schraubenzieher, in der Linken die Lampe, die er gerade montieren woll-
te.
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