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WeNN das meer aus milch Wäre…

          Anny hatte sich eingelebt am neuen Wohnort, nach ein paar Mona-
        ten fühlte sie sich ganz zu Hause, die Atmosphäre war mitgekommen,
        alle Sorgen verflogen, ausser dass ihr Gesundheitszustand weiterhin zer-
        brechlich blieb. Dies wurde in den Jahren, an denen sie nun in Oerlikon
        lebte, auch nicht besser, es war der letzte Lebensabschnitt, den sie lebte,
        das erkannte Anny sehr wohl.
          Doch  bang  war  ihr  deswegen  keineswegs,  ihr  Körper  hatte  sie  ja
        schon so weit getragen! Sie war voller Dankbarkeit und Freude, leicht
        hatte sie neue Freunde gefunden, und ich staunte wieder über ihre au-
        ssergewöhnliche Leichtigkeit, mit der sie sich auf neue Situationen ein-
        stellte, jung, neu, frisch. Sie erholte sich soweit von der Krise, dass sie ihr
        Leben wieder im Griff hatte, auch wenn sie ihre Wohnung nicht mehr
        verlassen konnte; die Osteoporose war zu weit fortgeschritten. So kam
        halt jemand vorbei mit den Einkäufen, innerhalb ihrer Wohnung blieb sie
        so beweglich wie eh und je.
          Ich hatte die Plakatfirma verlassen und richtete mein Leben so ein,
        dass ich in Teilzeitarbeit genug verdiente, um leben zu können. So hatte
        ich immer einen oder zwei Tage, um mich der Musik und der Arbeit mit
        Anny zu widmen. Auch vertiefte sich mein Interesse an den Lehren von
        Hazrat Inayat Khan mehr und mehr; ich wünschte mir, Menschen ken-
        nen zu lernen, die sich mit seinem Lebenswerk befassten.


          Eines Tages erhielt ich von meinem Bruder eine Einladung für ein
        Treffen im Tessin, ich ging hin, lernte ein paar Menschen kennen, die die
        Tradition Hazrat Inayat Khans am Leben erhalten; und schliesslich lernte
        ich Hidayat kennen, den jüngeren Sohn von Hazrat Inayat Khan. Hidayat
        war damals 75 Jahre alt, und es entstand eine Verbindung, die bis heute
        anhält. Er gab mir einen Namen - Puran - und dazu eine Erklärung: <Wir
        alle sind eine Mischung aus Ererbtem, Erworbenem, freiwilligen und un-
        freiwilligen Lasten.



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