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maJestät iN der BeschräNkuNg

          <Bewusst gehen zu können aus dieser Welt! Dies ist mein einziger
        Wunsch, der mir wirklich geblieben ist!> So begrüsste mich Anny am
        nächsten Sonntag! Was hatte sich in ihr zu regen begonnen!

          Sie lachte, als ich sie fragte, und übersprudelte beinahe. <Was gesche-
        hen ist? Ich weiss es selber nicht, aber manchmal stehe oder sitze ich mit-
        ten am Tage da, und dann habe ich das Gefühl, ich erhielte eine Art Se-
        gensdusche, ich weiss nicht, wie man solche Dinge beschreibt, es dauert
        manchmal eine Stunde, dann kann ich gar nichts tun. Ich sitze oder stehe
        einfach da und es erfüllt mich ganz; zuerst dachte ich, es fühle sich an
        wie eine Art Milch, wie im Lied, aber es ist anders, wie flüssiges, weiches,
        liebevolles Licht oder Gold…> Ihr Empfinden war so präzis! Ich hatte an
        der Nordseeküste  eine Geschichte gehört:

          Ein  kleiner  Fisch  schwamm  im  riesigen  Ozean,  fühlte  sich,  wie
        sich Kinder fühlen, wenn sie Leben entdecken, neugierig; alles war
        spannend, lebendig, interessant. Er war wach und interessiert; immer
        wieder hörte er die anderen Fische vom Ozean sprechen, etwas, das
        ihm keinen Sinn ergab, es war einfach nur ein Wort. Und doch spra-
        chen alle davon als etwas, das grosse Bedeutung zu haben schien.


          So machte sich unser kleiner Freund eines Tages auf, um den wei-
        sen Fischkönig zu fragen: ‹Kannst du mir sagen, lieber König, was für
        eine Bewandtnis es hat mit diesem Ozean? Alle reden davon, doch
        verstehe ich es nicht.› Der König antwortete: ‹Der Ozean!› Seine Au-
        gen leuchteten! ‹Er ist alles, und wir sind nichts im Vergleich dazu! Er
        gibt uns alles, was wir brauchen, Er ist um uns herum, in uns drin, wir
        sind Teil von Ihm, Er nimmt uns auf, wie ein Kleinkind in den Armen
        seiner Eltern geborgen ist, Er gibt uns Nahrung, Lebensraum, einfach
        alles.› Und der alte König versank in ein tiefes Sinnen, er schien sich
        an so viele Dinge zu erinnern.


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