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mosaiksteiNe iN BeWeguNg

           Liebe Freunde, unterdessen ist es Sommer geworden. Ich habe mir
        über die Zeit nach dem Juca, wie wir das Jugendcafé für uns nannten,
        die ich mit Anny bis zu ihrem Tod teilte, viele Gedanken gemacht, was
        und wie ich Euch erzählen möchte; viele Erlebnisse waren in einem ande-
        ren Raum des Lagerhauses ‘Erinnerungen‘ aufbewahrt, und so brauchte
        es einige Zeit, bis die Vorstellung über das ‘Wie?‘ reifte.
           Ich wollte zuerst die Elemente, die dann in meinem Leben zu schwin-
        gen begannen, nicht in dieses Buch mit hinein nehmen, es ist ja ein Buch
        über Annys Leben; und sie stand am Anfang der neuen Entwicklung
        dem, was mich da so begeisterte, eher vorsichtig und skeptisch gegen-
        über. Doch kann ich das eine vom anderen nicht trennen, ich werde so
        genau wie möglich beschreiben.

           Es war eine seltsame Zeit, verschiedene Stimmungen lebten in mir
        nebeneinander her; einmal die tiefe Trauer darüber, dass das, was da so
        lebendig gewesen war, vier wunderschöne Jahre lang, endgültig vorbei
        war. Da war die Sorge um Anny, sie hatte ja nicht nur vier Jahre, sondern
        beinahe  ein  Vierteljahrhundert  mit  ihrer  Arbeit  gelebt!  Dazu  kamen
        diese neuen, unverhofften Impulse, die mich das eigene Leben ebenso
        intensiv erleben liessen, von tiefer Trauer und Sorge bis zum Gefühl der
        Freude über diesen Neuaufbruch.

           All dies begleitete mich auf meine täglichen Touren. Im Verlaufe eines
        Jahres klebte ich so zehntausend Werbeplakate. Ihr Inhalt und meine Er-
        lebnisse führten oft zu absurden Szenen; ‘Enjoy the lightness of life‘ kleb-
        te ich auf, und gleichzeitig stellte ich mir vor, wie Anny nun diesen Verlust
        wohl verkraften würde, oder ob sie genug hatte von diesem Leben! Ich
        war mir keineswegs sicher darüber.  Dann kam ich nach Hause und las
        immer wieder im Büchlein: Dieser Hazrat Inayat Khan war nicht einfach
        eine Art ‘Gegenpart‘, wie ich am Anfang gedacht hatte, er beschrieb et-
        was völlig anderes; er lud mit jedem Satz ein!



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