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Als ich am nächsten Tag wieder beim Indian Culture Centre war
und den gleichen Herrn mit Turban traf, schien er mich nicht mehr zu
kennen: <You say that we talked about a Veena yesterday? Oh nein, Sie
müssen sich irren, wir haben noch nie miteinander gesprochen!> Die
Quittung für mein Geflunker! Blöd wie ich war! Das war keine Musik! Er
hatte völlig recht! Weshalb wollte ich ihm denn nichts erzählen von dem,
was mich so berührt hatte? Etwas hinderte mich daran, ihm zu sagen,
worum es ging, seltsam!
So fiel das Tor meiner Hoffnung deutlich ins Schloss, und das Einzige,
was ich aus London zurückbrachte, war ein Lehrgang von Ravi Shankar
auf Kassette, auf der er seinen Schülern ein paar Grundelemente der in-
dischen Musik beibrachte. Auntie Elda hatte sich zwar gefreut über den
Besuch, doch gab sie mir auch einen guten Rat mit: <Don‘t dream along,
Johnfee! Go into a decent job and find a girl to marry! You are much too
old for foolish things like that!>
Als ich zurück war, öffnete ich eines Tages, etwa drei Wochen später,
den ‘Tages-Anzeiger‘, und was fand ich da? Ein Inserat: Vina-Unterricht
in Winterthur. Wie? Winterthur, das technische Museum, die Industrie-
betriebe kamen mir in den Sinn, die Versicherung… doch Vina-Unter-
richt? Und doch war es so! Ich rief Brigitta an, die in Südindien gelernt
hatte und mir Unterricht gab!
Was für ein Gefühl, das erste Mal einen Ton aus diesem wunderba-
ren Instrument zu locken! Es war keineswegs so, dass es die Vina nicht
mehr gab; nur ist die südindische ‘karnatische‘ Musik oft so von der
nordindischen ‘Hindustani‘-Musik getrennt, dass es den nordindischen
Freunden von Auntie Elda so vorkam, dass es eine Vina gar nicht mehr
geben könne. Und es war auch kein Problem, eine Vina zu kaufen, eine
Firma in Heidelberg importierte sie, und nach zwei Monaten stand sie in
meiner Wohnung! Wie wunderbar!
Auch machte ich mich auf die Suche, die Flamencogitarre wieder
zu beleben. Bei Alicia fand ich eine wunderbare Möglichkeit: Sie lehrt
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