Page 100 - Ebook-TragendeGrund
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Wenn du Vina lerntest, könntest du zwar nicht mit ihm sprechen,
doch tätest du das gleiche wie er, könntest irgendwie in seinen Fussstap-
fen gehen lernen!
Als ich zwanzig war, hatte ich in London gelebt, die Grossbank hatte
mich als hoffnungsvollen Nachwuchsmann dahin geschickt, bei vollem
Gehalt, dass ich Englisch lernen könne, neun Monate lang. Es war eine so
reiche Zeit, und ich hatte bei ‘Auntie Elda‘ gewohnt, einer armenischen
Landlady, an der Finchley Road. Sie hatte, wie ich mich plötzlich erinnerte,
viele indische Freunde.
So besuchte ich sie während einer meiner Ferienwochen, fragte, ob
ihre Freunde wohl eine Vina hätten, die sie mir verkaufen könnten, und
ging meinerseits beim ‘Indian Culture Centre‘ vorbei. Dort traf ich auf
einen freundlichen Mann mit Turban, und ich trug ihm meinen Wunsch
vor. <Ja, es gäbe eine Familie hier in London, die eine Vina hätte, und viel-
leicht würden sie sie auch verkaufen.> Doch wollte er auch wissen, wes-
halb ich eine solche Vina wollte.
Aus irgendeinem Grund wollte ich ihm jedoch nicht erzählen, was
mich so bewegt hatte, und so flunkerte ich drauflos: <Wissen Sie, ich
habe zwei Jahre in Spanien gelebt und Flamencogitarre gelernt, und so
dachte ich, dass die Vina sicher neue und ganz andere Klangerlebnisse
bringen würde, deshalb möchte ich eine haben>. Was für einen Quatsch
tischte ich ihm da auf!
Sein kritischer Blick zeigte mir, dass ihn mein Gebrabbel keineswegs
überzeugt hatte, er fragte: <Are you from Hare Krishna?>. <Nein>, erwi-
derte ich und wir verblieben so, dass ich morgen nochmals vorbeikom-
men solle. Am gleichen Abend sagte mir Auntie Elda, dass ihre Freunde
ihr ausgerichtet hätten, dass es ein Instrument wie die Vina nicht mehr
gäbe, es gäbe wohl die Sitar, die Tablas, die Sarod, die Geige und alle an-
deren, doch die Vina sei viel zu alt und werde nicht mehr gespielt.
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