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Und so war ich irgendwann richtig eingeschnappt, arbeitete zwar
        weiter wie immer, doch schien sich eine dunkle Wolke zwischen uns ge-
        schoben zu haben. Beim Aufräumen um elf sprach ich es dann an, wuss-
        te nicht genau wie. Vor allem fürchtete ich mich davor, Anny wirklich zu
        sagen, was mich ärgerte; ich wollte ihre Freundschaft nicht verlieren, so
        druckste ich herum. Doch sie ermunterte mich: <Los, wenn etwas auf
        der Leber hockt, sollte man es loswerden, egal, was es ist!>

           Und in kurzer Zeit waren wir in einer heftigen Diskussion über Vor-
        gehensweisen, Prinzipien, Überlegungen zur Arbeit, Einschätzung von
        Menschen und ihren Fähigkeiten, und wir kamen vom Hundertsten ins
        Tausendste, bis wir schliesslich um drei Uhr morgens erkannten, dass wir
        stecken geblieben waren. Viele Worte waren gefallen, nicht alle waren
        schön gewesen; und ich schämte mich sehr, dass wir zu keiner Einigung
        gekommen waren - ich hatte das Gefühl, dass ich bereits nach drei Wo-
        chen unsere Freundschaft mit dieser Diskussion aufs Spiel gesetzt hatte.

           Nun, Anny verblüffte mich einmal mehr, zum Glück. Sie sagte: <Nun,
        das war eine richtige Schlacht mit Worten. Das macht nichts, solange wir
        nicht aus den Augen verlieren, dass wir um etwas kämpfen, das unse-
        rer Arbeit zugute kommt. Ich danke dir, dass du so offen bist und genau
        sagst, was du fühlst. Es ist zwar manchmal nicht angenehm, solche Dinge
        zu hören, doch sind sie offensichtlich da, und wir sollten sie daher auch
        ernst nehmen. Wir werden im Verlaufe der Zeit wohl immer wieder sol-
        che Auseinandersetzungen haben, wir müssen auch dazulernen, immer
        wieder. Lassen wir uns Zeit, das Thema wird wieder auftauchen, irgend-
        wann, und wenn du einverstanden bist, werden wir es morgen einfach
        beiseite lassen und für unsere Gäste da sein, kannst du das?>

           Ich hätte ihr um den Hals fallen können vor Freude, dies war es, was
        ich richtig aus ihren ersten Worten herausgehört hatte! Sicherheit in der
        Freundschaft, die alles ertragen kann. Sie spürte, was in mir vorging und
        sagte beiläufig: <Ja, wir müssen uns sekundär machen können>.





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