Page 31 - Ebook-TragendeGrund
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Dank unserer Freundschaft lernte ich meinerseits, ihr zuzuhören; wir
mussten kaum noch über die Arbeit sprechen und die Weise, wie wir sie
angehen wollten. Die Gäste nahmen wahr, dass da etwas war, was nicht
sichtbar war, nicht definiert, nur spürbar — für sie war es einfach ‘ein guter
Ort‘, sie kamen gerne her.
Und so wuchsen ganz wunderbare Pflanzen darin, lebendige Freund-
schaften, und für viele war es offensichtlich ein Zuhause, wie wir es alle als
Geschenk empfanden. Weihnachten feierten wir zusammen, das neue
Jahr, und Hoffnung keimte auf für viele, die schon resigniert hatten; die
äusseren Wirklichkeiten hatten für viele die Weichen im Leben schon ge-
stellt - sie waren Patienten in Kliniken, in begleiteten Wohngruppen, ‘auf
Kurve‘, in gesundheitlichen Schwierigkeiten, ‘Abgeschriebene‘.
Gerade heute lief mir jemand über den Weg, der ein besonderer
Freund geworden ist. Seit wir uns im Jugendcafé kennengelernt hatten,
verbindet uns etwas Unausgesprochenes, und dies ist bis heute so leben-
dig geblieben wie damals - Verständnis über Sprache hinaus, wie wenn
Zeit nicht existierte.
Entschuldigt bitte, dass ich nicht mehr auf die Arbeit eingehe und
davon erzähle, da sind viele Schicksale und Menschen, die heute noch
so leben, wie ich es beschreiben müsste, und ich möchte Euch hier die
Lebensgeschichte von Anna Burger erzählen.
Wie soll ich es sagen, es war einfach ein Segen, dass wir uns gefunden
hatten, die Freundschaft vertiefte sich, unser Arbeitsfeld weitete sich. Je
besser ich Anny kennenlernte, desto beeindruckter war ich von ihrer Le-
benserfahrung und Weitsicht, mit der sie Themen und Schwierigkeiten
ansprechen konnte, die Unerschrockenheit, mit denen sie vermeintliche
Hindernisse anging, und ihre direkte, herzliche Art, wie sie geradewegs
zum Punkt kommen konnte.
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