Page 44 - Ebook-TragendeGrund
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hatten eine sehr ruhige Zeit, und ich kochte meistens nur für die Mitar-
beiter.
Es wunderte mich sehr, dass sich niemand für dieses Angebot zu in-
teressieren schien, und so wollte ich selber wissen, ob denn die Jugendli-
chen wirklich nichts brauchten. Und so sass ich am Nachmittag oft selber
bei ihnen auf den Treppenstufen; gleich gegenüber war die Stadtpolizei
einquartiert und fotografierte die Passanten und Herumlungerer fleissig.
Eines Tages rief mich der Präsident des Leitenden Ausschusses in sein
Büro und zeigte mir ein paar Fotos, die mich mitten unter den Jugend-
lichen zeigten, und er sagte: <Was machen Sie denn da, das können Sie
doch nicht tun!>
<Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, was soll man da tun?>
fragte ich ihn zurück, und so handelte ich mir den Ruf ein, eine etwas
seltsame ältere Dame zu sein, von der man nicht genau wusste, was sie
tat. Ich fühlte mich einfach wohl unter den Jugendlichen und verstand
sehr leicht, weshalb sie ihren Fuss nicht über die Schwelle setzen wollten.
Doch dann kam der Winter, es wurde kalt und ungemütlich. Eines
Nachmittags war das Jugendcafé voller meistens etwas zerlumpten Ge-
stalten, die ihre Hunde dabei hatten und den Mitarbeitern Hühnerhaut
verursachten. Von einem Tag auf den anderen hatte sich die Situation
völlig gewandelt. Es gab Sitzungen, Besprechungen und Strategien, wie
man mit den Jugendlichen richtig umgehen sollte.
Natürlich standen wir am Anfang, und ich war froh, dass ich in mei-
ner Küche jeweils, wenn es hektisch und kriegerisch zu und her ging, eine
gute Suppe zubereiten und die Wogen mit einem feinen Essen etwas
glätten konnte. Die ersten Sozialarbeiter kündigten, und es wurde dis-
kutiert, wie man das richtige Zielpublikum ins Café hinein und jene, die
da waren, wieder hinausbrächte. Auch war ich meistens so müde nach
den paar Stunden Arbeit, dass ich viel schlief zuhause und mich sehr ge-
wissenhaft darauf vorbereitete, mit neuer Kraft und Konzentration am
nächsten Tag wieder arbeiten zu können.
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