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hatten eine sehr ruhige Zeit, und ich kochte meistens nur für die Mitar-
         beiter.

            Es wunderte mich sehr, dass sich niemand für dieses Angebot zu in-
         teressieren schien, und so wollte ich selber wissen, ob denn die Jugendli-
         chen wirklich nichts brauchten. Und so sass ich am Nachmittag oft selber
         bei ihnen auf den Treppenstufen; gleich gegenüber war die Stadtpolizei
         einquartiert und  fotografierte die Passanten und Herumlungerer fleissig.
         Eines Tages rief mich der Präsident des Leitenden Ausschusses in sein
         Büro und zeigte mir ein paar Fotos, die mich mitten unter den Jugend-
         lichen zeigten, und er sagte: <Was machen Sie denn da, das können Sie
         doch nicht tun!>
            <Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, was soll man da tun?>
         fragte ich ihn zurück, und so handelte ich mir den Ruf ein, eine etwas
         seltsame ältere Dame zu sein, von der man nicht genau wusste, was sie
         tat. Ich fühlte mich einfach wohl unter den Jugendlichen und verstand
         sehr leicht, weshalb sie ihren Fuss nicht über die Schwelle setzen wollten.

            Doch dann kam der Winter, es wurde kalt und ungemütlich. Eines
         Nachmittags war das Jugendcafé voller meistens etwas zerlumpten Ge-
         stalten, die ihre Hunde dabei hatten und den Mitarbeitern Hühnerhaut
         verursachten. Von einem Tag auf den anderen hatte sich die Situation
         völlig gewandelt. Es gab Sitzungen, Besprechungen und Strategien, wie
         man mit den Jugendlichen richtig umgehen sollte.

            Natürlich standen wir am Anfang, und ich war froh, dass ich in mei-
         ner Küche jeweils, wenn es hektisch und kriegerisch zu und her ging, eine
         gute Suppe zubereiten und die Wogen mit einem feinen Essen etwas
         glätten konnte.  Die ersten Sozialarbeiter kündigten, und es wurde dis-
         kutiert, wie man das richtige Zielpublikum ins Café hinein und jene, die
         da waren, wieder hinausbrächte. Auch war ich meistens so müde nach
         den paar Stunden Arbeit, dass ich viel schlief zuhause und mich sehr ge-
         wissenhaft darauf vorbereitete, mit neuer Kraft und Konzentration am
         nächsten Tag wieder arbeiten zu können.


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