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Und so kam mir ein befreundeter Arzt in den Sinn. Am nächsten Tag
        suchte ich ihn auf und beschrieb ihm die Situation: <Was braucht es, dass
        die Jugendlichen wieder gesund werden, ohne Einweisung, ohne Mel-
        dung, einfach wieder gesund?> <Anny, dies geht nicht, sie können nicht
        einfach ambulant behandelt werden, die Krankheit ist ansteckend, und
        die Hygiene ist in einem solchen Fall nur gewährleistet, wenn sie in der
        ersten Phase unter ärztlicher Betreuung bleiben.>

          Aber er erkannte auch, weshalb ich sie nicht dem aussetzen wollte,
        was für sie längerfristige Folgen gehabt hätte, und so erstellten wir ei-
        nen Plan. Er gab mir die nötigen Medikamente und Anweisungen, wie
        ich sie behandeln musste, und sagte mir auch: <Doch das Jugendcafé ist
        ein öffentlicher Raum, da ist die Hygiene noch viel wichtiger!> Ich ver-
        sprach ihm, dass ich alles tun würde, dass die bestmöglichen Umstände
        gewährleistet seien.

          Damals festigte sich mein Ruf als etwas seltsame alte Dame, die je-
        weils am Abend, wenn das Jugendcafé schloss, noch alle Bezüge zum
        Waschen brachte. <Das ist doch nicht nötig, Anny, du übertreibst!> So
        erklärte ich ihnen, dass ich halt einen Putzfimmel habe, und es ja schliess-
        lich niemandem schade.

          Nach vier Monaten waren die Jungen gesund, und sie erkannten,
        wie nahe sie mit ihrer Dummheit an einer Situation vorbeigeschrammt
        waren, die ihnen die Freiheit ihres restlichen Lebens hätte kosten können.
        Du kennst ja die Gasse unterdessen etwas, es gibt nichts, was nicht die
        Runde machen würde unter den Randständigen.>


                                    











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