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die treue des WeizeNkorNs
              gegeNüBer deN mühlsteiNeN des leBeNs

           Ich empfand es als ein ganz besonderes Erleben, diese Arbeit mit
        Anna Burger. Irgendwie fühlte es sich an wie eine paradoxe Synthese
        zwischen Idealismus und grösster Fähigkeit, realistisch zu sein beim Um-
        setzen; die Wirklichkeiten und Beschränkungen, wie sie waren, unge-
        schminkt und nüchtern zu sehen und sich trotzdem nicht von Pessimis-
        mus leiten zu lassen; zu jedem oft niederschmetternden Erlebnis etwas
        aus dem Innern dazu zu geben, dass es ‘menschlich‘, sinnvoll wurde und
        uns daran erinnerte, welches Privileg es ist, Mensch zu sein, wirken zu
        können, Entwicklungen zu ermöglichen, vollständiger, liebevoller, gross-
        herziger, lebendiger zu werden, ein ganzes Leben lang, sich dabei nicht
        zu fürchten, dass wir dafür einen Preis bezahlen müssen, den Einsatz von
        allem, was wir haben.

           Ich war oft einfach glücklich, gerührt, bewegt vor Freude, so etwas
        erleben zu dürfen. <Dein Ja zu meinem Ja> nahm eine Dimension an,
        wie ich sie mir so nie hätte vorstellen können. Und doch erlebte ich sie,
        tagtäglich, mit dem Gefühl, dass wir immer noch erst am Anfang stan-
        den, wie der Vogel, der jeden Tag seinen Schnabel an einem Berg wetzt.

           Es war nicht mehr Bewunderung für Anny und die Fähigkeiten, die
        ich ihr zutraute, es war nun einfach ein Wunsch geworden zu verstehen,
        wie ihre Eigenschaft, ‘sekundär‘ zu sein, möglich war.  Ich trug solche
        Fragen jeweils mit mir herum, wochenlang, um mir zuerst selber klar zu
        werden, was ich da formulieren wollte, und oft brauchte es dann, wenn
        sich die Frage herauskristallisiert hatte, nur noch einen Satz: <Zeit für Bra-
        ten und Kartoffelstock?>

           <Es braucht ein Bewusstsein des Weizenskorns, bevor es Brot wer-
        den kann>, verblüffte mich Anny an unserem nächsten gemeinsamen
        Abend. Ich war gerade von einem Besuch bei meinen Eltern zurück, und
        war noch voller Eindrücke von unseren Gesprächen. So gelang mir der
        Gedankensprung nicht gleich auf Anhieb. <Was meinst du? Wie, was?

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