Page 62 - Ebook-TragendeGrund
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bons comptes font des bons amis¨’ war ihr Motto im Umgang mit Geld,
gegenüber Freunden ebenso wie bei Steuern.
Sie war in ihrem Element, wenn sie Gespräche führte; da war nichts
von ihren körperlichen Beschränkungen spürbar. So viel geschah da! Um
dieses ‘Mutmachen‘ zu vertiefen, überraschte Anny ihre Gäste manch-
mal mit einem Geschenk - sie bewegte die Gespräche manchmal ta-
gelang in ihrem Herzen, und dann ging sie zu einer Freundin, die eine
kalligraphische Begabung hatte - und so kam auch ich zu meiner kleinen
Denkschrift: ‘Der letzte tragende Grund‘.
Ein Jammer am Ganzen war nur, dass so viele der wichtigen Men-
schen in der Gesellschaft, Klinik-, Polizeidirektoren, die Vorsteherin des
Sozialamtes, der Präsident der Trägerschaft, der Papst, alle diese kreati-
ven Gespräche einfach verschliefen, der Papst wohl noch am wenigsten.
Wenn sie alle davon wüssten, wünschten sie sich vielleicht, von Anny ‘ins
nächtliche Gebet in der Dachkammer‘ genommen zu werden. Die Ju-
gendlichen auf der Gasse hatten solche Gelegenheiten kaum je verpasst.
Wenn wir einen von ihnen irgendwo antreffen, in welcher Stadt
auch immer, sollten wir uns vielleicht an diese Gespräche erinnern - doch
müssen wir da Herz und Ohr offen haben, auch wenn es den Anschein
macht, dass Jugendliche möchten, dass wir zuerst den Geldbeutel öff-
nen. Vielleicht können sie sich einfach nicht mehr vorstellen, dass sich au-
sser dem Geldbeutel etwas öffnen könnte. Was auch immer wir öffnen,
es wird etwas öffnen, wenn es nur unser eigenes Fenster zum Verste-
henwollen ist. Mit dem frischen Wind kommt vielleicht ein Segen herein.
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