Page 81 - Ebook-TragendeGrund
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der letzte trageNde gruNd –
eiN BesoNderer karfreitag
Nun, liebe Freunde, war das ein Ausflug in Annys Blütezeit! So viel
kam in meiner Erinnerung ins Leben zurück, dass ich ein paar Tage nicht
schreiben konnte. Doch nun bin ich einigermassen bereit, wieder in die
Zeit zurück zu kommen, die ich mit Anny teilte.
Was mir im Jugendcafé schon länger Sorgen bereitete, war die Tat-
sache, dass Annys Pensionierung nicht mehr so lange auf sich warten
liesse. Wenn wir darüber sprachen, hoffte ich natürlich, dass sie noch
so lange wie möglich weiter machen würde, doch ihre Gesundheit liess
deutlich nach. Und wenn wir auch grosse Fortschritte gemacht hatten in
der Qualität unserer Zusammenarbeit zu viert, war da doch eine grosse
Diskrepanz, was die Erfahrung im Umgang mit den Menschen betraf.
Es war auch klar, dass sich das langjährige Vertrauen unserer Gäste
nicht in einem Arbeitsvertrag auf jemand Neuen übertragen liesse, und
so hätten wir wiederum dringend vertiefte Vorbereitungsgespräche mit
dem Leitenden Ausschuss benötigt, um diesen Übergang in einer Weise
in die Wege zu leiten, dass kein Bruch entstünde.
Doch blieb die Mehrheit des Leitenden Ausschusses auf dem Stand-
punkt stehen, dass es ja einfach das ‘Anny-Café‘ sei, und dass danach ja eh
etwas anderes kommen sollte. Es war tief verletzend, dass die Institution
nie mehr erkannte als die Fassade, an der sie ihr Bild aufhängte, und es
war Anny zutiefst zuwider, auf einen glorifizierenden Sockel gestellt zu
werden. Eines Abends sagte sie zu mir: <Hannes, wenn ich eines Tages
meinen letzten Atemzug getan habe und einer von diesen Menschen
eine Lobrede auf mich anstimmen will, versprichst du mir, dass du ihn
zum Schweigen bringst, egal wie viele Leute da sein werden?>
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