Page 82 - Ebook-TragendeGrund
P. 82
Es erschütterte mich zu erkennen, dass sich Anny ähnliche Überle-
gungen machte. Unser gemeinsamer Mut für die tägliche Arbeit konnte
die Ahnung nicht auslöschen, dass sich niemand für die Vorbereitung auf
den Wechsel, wie wir ihn als dringend notwendig empfanden, zu interes-
sieren schien. So versprach ich ihr einfach, dass ich dies sicher tun würde,
wer wusste wohl, wann und ob es sein würde, und wie die Umstände
dann wären! In meiner Phantasie versuchte ich mir auszumalen, wie ich
einem solchen krähenden Hahn den Hals umdrehen müsste, viel Intelli-
genteres dazu fiel mir im Augenblick nicht ein.
Den Gästen im Jugendcafé war unsere Sorge auch aufgefallen, und
so kam eines Abends Francis mit seiner spontanen Fröhlichkeit auf mich
zu und sagte: <Schau Hansli, wenn die Leute wüssten, weshalb Mick Jag-
ger das Ganze auf Indonesisch durchgegeben hat, dann wäre der Stein
schon lange ins Rollen gekommen, aber da sind zu viele Pünktlisammler,
so dass man halt einfach…>, brach ab, grinste in seiner sonnigen Art,
packte die Gitarre und legte los: <Well I followed her to the station, with
the suitcase in my hand…>
Und so kam es dann auch, es wurde jemand gesucht, und nachdem
die Person gemäss dem Leitenden Ausschuss die Kriterien erfüllt hatte,
wurde sie Anny präsentiert, die mit ihr als Beisitzerin ein begleitendes
Gespräch führen durfte, die ‘Regie‘ des Gespräches blieb beim Präsiden-
ten des Ausschusses. Anny hatte irgendwie auch kapituliert, als sie sah,
dass der neuen Person unsere Arbeit zu den Richtlinien, an die wir viele
Wochen hingegeben hatten, nicht einmal zur Kenntnis gebracht wurde.
Unter diesen Umständen schien die Arbeit immer schwerer zu
werden, ich fühlte mich wie jemand, der etwas weitertragen sollte und
schon weiss, dass die Kräfte kaum reichen würden. Gerade zur gleichen
Zeit belagerten Dealer das Jugendcafé wie Geier, die ahnen, dass etwas
bald ihre Beute werden könnte.
Diese Wellen kamen und gingen, oft war die Grenze der Belast-
82