Page 85 - Ebook-TragendeGrund
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<du läufst aus deiNem leBeN davoN>
Was doch nicht alles angelegt ist in unserem Leben! Unser Herz ist
ein Acker, der zuerst vorbereitet und gepflügt werden muss, dass später
gedeihen kann, was angelegt ist, unendlich viel feiner als die DNA, die
wir entschlüsseln!
Und dann zeigen sich diese ersten Sprossen auf eine Weise, wie wir
es uns nie vorgestellt hätten; und wir wissen oft nicht, was wir nun anfan-
gen sollen mit einem neuen Gefühl, einem offensichtlichen Wandel in
uns drin. Uns fehlt ein Anhaltspunkt, wie wir das Offensichtliche in unser
Leben integrieren könnten. Im alten Schmöker ‘Zen und die Kunst ein
Motorrad zu warten‘ hatte der Rhetorikprofessor und Motorradfahrer
Pirsig es so beschrieben: Um einen chemischen Prozess in Gang zu set-
zen, braucht es oft einen Auslöser, ein Kratzen am Reagenzglas, ein Klop-
fen, ein Sandkorn, das irritiert.
Es war eindeutig so, die Unbeschwertheit des Segens, in dem wir im
Jugendcafé gearbeitet hatten, ging dem Ende entgegen. Wichtige Ver-
bindungslinien, die ein tieferes Verständnis zwischen der Trägerschaft,
dem leitenden Ausschuss und der alltäglichen Realität im Jugendcafé
gebracht hätten, waren nicht geknüpft worden, wie es hätte sein sollen.
Für Anny war dies auf sehr schmerzhafte Weise bitter, weil wir alles daran
gesetzt hatten, der Trägerschaft diesen Verständnisschritt zu erleichtern,
doch war die Kluft nicht überbrückbar. So begann Anny zu kapitulieren,
ich spürte es, doch war es auch zwischen uns nicht ansprechbar.
Ich meinerseits empfand die Last je länger je unerträglicher, vor allem
die Vorstellung, wie ich unter diesen Voraussetzungen die Arbeit weiter-
führen könnte; keine Mitsprache und keine Möglichkeit, die Erfahrung
und das Wissen, das im Verlaufe der vier Jahre zusammen gekommen
waren, dem neuen Mitarbeiter verständlich zu machen.
Er kam mit einer spürbaren Angst, sich auf etwas Neues einzulassen,
und hatte vom Leitenden Ausschuss offenbar ein paar Leitsätze erhalten,
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