Page 90 - Ebook-TragendeGrund
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punkt unserer Arbeit. Es schien ein Prozess, den wir weder steuerten
        noch planten, doch geschah er trotzdem. Ein Jammer, dass der Leitende
        Ausschuss diese Aspekte nie wahrnahm!

          Solche Entwicklungen begann ich nur noch am Rande mit zu be-
        kommen, mein Inneres war so beschäftigt mit den eigenen Fragen, dass
        manchmal die Gäste nachfragen mussten, ob nun der Kaffee, den sie vor
        zehn Minuten bestellt hatten, immer noch nicht da sei? Ihre Kommenta-
        re weckten mich wieder. Seltsam, Anny und ich schienen beide von un-
        seren Überlegungen immer mehr absorbiert! Äusserlich waren wir noch
        bei der Arbeit, beide wie zuvor, mit Freude und lebendiger Anteilnahme,
        und doch!
          So gingen ein paar Monate dahin. Die Vorbereitungsgespräche mit
        dem Neuen erreichten nicht viel Tiefe, und so warteten alle irgendwie
        auf den Augenblick, an dem das Unvermeidliche kommen würde. Das
        erste Mal empfand ich, dass wir hier im Jugendcafé die Zeit besser nut-
        zen sollten, nur wusste ich nicht, wie dies sein sollte.  Das Gefühl war ex-
        akt so, wie wenn man sich vor der letzten Biegung hinter dem Hügel
        entschieden hat, dem einen von zwei Wegweisern zu folgen; und nun
        wächst mit jedem Schritt, den wir vorangehen, die Erkenntnis, dass ei-
        gentlich der andere Wegweiser in die richtige Richtung geführt hätte…
          Wir hatten auch kaum noch Zeit für unsere Abende des Austau-
        sches; irgendwie fürchteten wir uns wohl beide etwas davor, glaube ich.
        Doch fragte ich Anny eines Abends, ob sie Zeit hätte, ich wolle gerne et-
        was mit ihr besprechen. Natürlich war sie sofort bereit, und wir wählten
        einen freien Abend. Gemeinsam gingen wir essen, auswärts; dies hatten
        wir kaum je getan zusammen. Annys Gesundheit war sehr zerbrechlich
        geworden, und so hielten wir unseren Abend eher kurz. Nach dem Es-
        sen begann ich, ihr die Überlegungen, die mich in den Monaten zuvor so
        beschäftigt hatten, zu beschreiben.


          Sie endeten mit dem Satz, der mir immer wieder als einzig mögliche
        Schlussfolgerung erschienen war: <Ich muss wieder dem nachgehen, was


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