Petama Ratgeber Oktober Die Not der Menschheit in unseren Tagen - 2 aus: Hazrat Inayat Khan: 'Social Gathekas' |
|
Trotz des Wohlstandes und der blühenden Verhältnisse, die wir sehen, fehlt das Ideal völlig. Der Geist der meisten scheint nur auf eine Sache ausgerichtet zu sein: den Kampf des Lebens. Millionen von Menschen sind Tag und Nacht körperlich und geistig damit beschäftigt, Reichtümer oder Schätze zu sammeln, die von Hand zu Hand gehen sollten. Solange sie besitzen, gibt es eine Art Rausch; wenn er verloren geht, gibt es nichts mehr, woran sie sich festhalten können. Das hat die Menschen im Kampf um das materielle Leben noch geiziger gemacht. Heute gilt jener als lebenstüchtig, wenn er gut ist darin, seine eigenen Interessen zu wahren. Dasselbe gilt für die Nationen: jede arbeitet für ihr eigenes Interesse. In jeder Nation ist die Person des Tages nicht jene, die sich für das Wohl der Menschheit einsetzt, sondern jene, der ausschließlich die Interessen ihrer Partei, ihrer Gemeinschaft oder ihrer Nation vertritt. Patriotismus kann nur dann eine Tugend sein, wenn er als Sprungbrett zur universellen Verwandtschaft dient. Er kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn er als Mittel zur Erhaltung der Kräfte eingesetzt wird, um für das Wohl aller zu arbeiten. Doch heute ist der Patriotismus zu einem Schloss auf dem Herzen geworden, so dass kein Fremder - nur die eigenen Leute - in ein Land aufgenommen werden. Was in der modernen Bildung, in Kunst und Wissenschaft, im gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Leben fehlt, ist das Ideal. Das Ideal ist das Geheimnis des Himmels und der Erde, das Mysterium, das sich sowohl hinter der Menschheit als auch hinter Gott verbirgt. Der Mensch, mit allem, was er in der objektiven Welt besitzt, ist arm, wenn ihm das Ideal fehlt; diese Armut schafft Irritationen, Konflikte und Unstimmigkeiten und verursacht dadurch Kriege und Katastrophen aller Art. Das größte Bedürfnis der Menschheit ist heute die Erforschung der menschlichen Persönlichkeit, um die latente Inspiration und Kraft zu finden und darauf die gesamte Struktur des Lebens aufzubauen. Das Leben besteht nicht nur darin, zu leben, sondern auch darin, uns zu veredeln und jene Vollkommenheit zu erreichen, die die angeborene Sehnsucht der Seele ist. Die Lösung des Problems unserer Zeit besteht darin, dass das Bewusstsein der Menschheit für die Göttlichkeit im Menschen geweckt wird. Der Grundton aller Religionen ist die Erkenntnis des einen Lebens, das in der Vorstellung der Einheit gipfelt. Die Bemühungen unserer Sufi-Arbeit sind darauf gerichtet, die Menschheit zu diesem Bewusstsein zu erheben.
Wer ausgegeben hat, hat verbraucht; wer gesammelt hat, hat verloren; wer jedoch gegeben hat, hat seinen Schatz für immer bewahrt.
Gayan - Talas
(Maheboob Khan, Hazrat Inayat Khans Bruder, hat in der Mitte des letzten Jahrhunderts eine Reihe von Hazrat Inayat Khans Aphorismen in Musik gesetzt, wie das ‘How Shall I Thank Thee’. Mohammed Ali Khan, Hazrat Inayat Khans Cousin, hat ums Jahr 1956 herum dieses Lied in einem Konzert in Zürich gesungen – hier könnt Ihr es hören) |