Ratgeber September 'Was die Welt Heute braucht' - 2 aus: Hazrat Inayat Khan: 'Religious Gathekas' |
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Die Welt hungert heute mehr denn je nach Religion. Was ist der Grund dafür? Der Grund ist, dass einige einfache Seelen am Glauben ihrer Vorfahren festhielten und diese Religion als lebensnotwendig ansahen, während viele Seelen mit Intelligenz, Vernunft und Lebensverständnis gegen die Religion rebellierten, so wie ein Kind, wenn es erwachsen wird, seine Rassel wegwirft, weil es sich nicht mehr dafür interessiert. So bleibt die Religion heute in den Händen derer, die sie in ihrer äußeren Form aus Hingabe und Treue zum Glauben ihrer Vorfahren bewahrt haben; jene, die sozusagen in Gemüt und Geist erwachsen sind und etwas Besseres wollen, können so nichts finden. Ihre Seelen hungern nach Musik, und wenn sie um Musik bitten, wird ihnen eine Rassel gegeben, und so werfen sie die Rassel weg und sagen schliesslich: ‘Musik interessiert mich nicht’. Und doch gibt es die innere Sehnsucht nach Musik, der Musik der Seele, und ohne sie bleibt ihr Leben leer. Wie wenige erkennen diese Tatsache, und noch weniger geben sie zu. Der psychologische Zustand der Menschheit ist so geworden, dass ein Mensch mit Intelligenz Musik ablehnt; er will keine Musik, er will etwas, doch nennt er es bei einem anderen Namen. Ich werde Euch von meiner eigenen Erfahrung in der westlichen Welt berichten. Auf meinen Reisen über zehn Jahre hinweg bin ich mit intelligenten Menschen, Denkern und Wissenschaftlern in Kontakt gekommen, und ich habe bei ihnen die größte Sehnsucht nach dem religiösen Geist erkannt. Sie sehnen sich in jedem Augenblick ihres Lebens danach, denn sie stellen fest, dass trotz all ihrer Bildung und Wissenschaft ein Vakuum, eine Leere ist, in ihnen selbst, und sie möchten diese füllen. Wenn wir dann aber von Religion sprechen, sagen sie: ‘Nein, nein, wir wollen keine Religion’. Sie sagen damit, dass sie nur die Rassel kennen, die Religion genannt wird, doch nicht jenen Teil, der auf einer Geige gespielt wird. Sie glauben nicht, dass es etwas anderes als eine Rassel gibt; und doch ist da in ihnen eine Ratlosigkeit, ein Inneres Verlangen, das mit all ihre gelehrten und wissenschaftlichen Bemühungen nicht beantwortet wird. Was wir also heute in dieser Welt brauchen, ist eine Versöhnung zwischen dem religiösen Menschen und demjenigen, der vor der Religion davonläuft. Doch was können wir tun, wenn wir selbst in der christlichen Religion so viele Sekten sehen, die sich gegenseitig bekämpfen? Christen, Muslime, Buddhisten, Juden und viele andere betrachten ihre eigene Religion und denken, dass die anderen es nicht wert sind, darüber nachzudenken. Für mich sind diese verschiedenen Religionen wie verschiedene Organe des Körpers, die auseinandergeschnitten und auseinandergerissen wurden. Deshalb kommt es mir persönlich so vor, als ob ein Arm derselben Person abgetrennt würde und sich der andere erhebt, um ihn zu richten; beide sind Arme derselben Person. Wenn diese Person vollständig ist und all diese Teile zusammengefügt sind, dann ist da Religion. Der Schöpfer ist in seiner eigenen Schöpfung verborgen. Die natürliche Religion ist die Religion der Schönheit.
Gayan - Chalas
(Maheboob Khan, Hazrat Inayat Khans Bruder, hat in der Mitte des letzten Jahrhunderts eine Reihe von Hazrat Inayat Khans Aphorismen in Musik gesetzt, wie das ‘How Shall I Thank Thee’. Mohammed Ali Khan, Hazrat Inayat Khans Cousin, hat ums Jahr 1956 herum dieses Lied in einem Konzert in Zürich gesungen – hier könnt Ihr es hören) |